Urbanisierung und Urban Farming (2024)

Aktuelle Einflüsse auf Städte und Ballungsräume

Schon heute haben Städte mit den Folgen der Klimaerwärmung zu kämpfen. Die durchschnittliche Zahl der Hitzetage ab 30°C hat sich mit elf Tagen pro Jahr (Zeitraum: 2011-2020) seit 1900 mehr als verdoppelt. Bis 1990 waren es jährlich noch im Schnitt 4,5 Hitzetage.1 Ressourcenknappheit in Bezug auf Flächen macht sich durch angespannte Wohnungsmärkte bemerkbar. Von 2010-2020 sind die Mietpreise in deutschen Großstädten, wie Berlin (+112%) und München (+68%), stark gestiegen.2Seitdem sich die Corona- und Gaskrise überschlagen, steht die Versorgung mit Energie und Verbrauchsgütern vor neuen Herausforderungen. In Sachsen beispielsweise stiegen die Preise im Vergleich zum Vorjahr für Haushaltsenergie und Kraftstoffe um 36% und für Nahrungsmittel um 11,5% (Stand: April 2022).

Wie können Städte mit diesen Herausforderungen umgehen und wie kann zukünftig nachhaltiger und gleichzeitig hochwertiger Lebensraum in Städten geschaffen werden?

Chancen für Stadtwerke als Quartiersentwickler

In Stadtquartieren können Optimierungs- und Synergiepotenziale im Kleinen für die gesamte Stadt identifiziert werden. Stadtwerke sind aktive Treiber der Energiewende und werden zukünftig vermehrt eine Innovatorenrolle einnehmen. Durch ihre regionale Verbundenheit sind sie nah an den Kundinnen und Kunden und können viele Dienstleistungen „aus einer Hand“ anbieten. Diesen Vorteil können sie gegenüber anderen Unternehmen in der Quartiersentwicklung als neues gesamtheitliches Geschäftsfeld nutzen, z. B. im Bereich Mobilität, Breitbandausbau, Energieversorgung und Abfallwirtschaft.

Zahlreiche Projekte werden bereits erfolgreich umgesetzt. Die jenawohnen GmbH lässt z. B. im smarten Quartier Jena-Lobeda 270 Wohnungen sanieren. Besonderheiten des Quartiers sind verschiedene Smart-Home-Anwendungen, Mobilitätsangebote, Gesundheitsdienstleistungen und ein Quartiersmanager sowie Kommunikationsmöglichkeiten über eine Quartiersplattform.

Auch die EnBW möchte in Zukunft nicht mehr einzelne Energiedienstleistungen anbieten sondern als ganzheitlicher Quartiersentwickler fungieren. So entsteht auf dem ehemaligen Stuttgarter Betriebsgelände das nachhaltige Quartier „Der neue Stöckach“ mit 800 Wohnungen. Dort soll das vorhandende Know-how im Bereich Energie und Mobilität gebündelt werden. Neben PV-Anlagen für die Stromerzeugung ist außerdem ein Eisspeicher als Wärme- und Kältequelle vorgesehen, der die Synergien aus Wärme- und Kälteversorgung nutzt. Ladestationen für E-Autos und Sharing-Angebote erweitern das Angebot des ÖPNV.

Im Modellprojekt „Zukunftsviertel Unterbilk | Friedrichstadt“ testen die Stadtwerke Düsseldorf Ideen und Maßnahmen, die Düsseldorf dabei helfen, bis 2035 klimaneutral zu werden. Der E-Roller „eddy“ ist nur einesvon vielen Mobilitätsangeboten, dasdie verkehrsinduzierten Emissionen senken und die Mobilität optimieren soll.

Als zukünftiger Quartiersentwickler kann das Stadtwerk somit vielfältige Rollen einnehmen: Bauherr, Vermieter, Berater, Ansprechpartner vor Ort, Mobilitätsanbieter und Energieversorger. Kommt als nächstes die Versorgung mit Nahrungsmitteln durch Urban Farming?

Was steckt hinter Urban Farming?

Nachdem die Anbauflächen für Gemüse und andere Nahrungsmittel im 19. Jahrhundert aus dem städtischen Raum verschwanden, kehren sie heute in etwas anderer Form wieder zurück. Beim Urban Farming wird in städtischen Räumen Lebensmittelanbau und Tierhaltung betrieben. Genutzt werden dafür Dach- und Brachflächen, teilweise sogar Innenräume. Als Vertical Farming wird die Art des Urban Farmings bezeichnet, bei der Pflanzen senkrecht übereinander, z. B. an Fassaden oder auf speziellen Pflanzregalen, angeordnet werden. Die Grenze von Urban Farming zum Urban Gardening ist fließend: Während Urban Gardening vornehmlich dem Eigenbedarf dient, sollen Erzeugnisse aus Urban Farming an größere Menschengruppen vermarktet werden.3

Vorteile des Urban Farmings sind die verkürzten Transportwege, wodurch Ressourcen gespart werden, was sich wiederum positiv auf die CO2-Bilanz und den Klimawandel auswirkt. Urban Farming kann ferner dazu beitragen, dass Menschen in Städten besseren Zugang zu frischen, biologisch angebauten Lebensmitteln erhalten. Gerade in Krisenzeiten, wo Transportkosten steigen und globale Produktions- und Lieferketten empfindlich sind, gilt es, die Selbstversorgung von Städten zu stärken. Vertical Farming ist zudem platzsparend, da dieselbe Grundfläche ein vielfaches an Ertrag im Vergleich zu herkömmlichen Anbaumethoden bietet. Bereits kleine Urban Garden können das Mikroklima in Städten verbessern und einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten. Speziell beim Vertical Farming in Innenräumen wird durch die geschlossenen Kreisläufe sehr wenig Wasserzufuhr benötigt und auch der Einsatz von Pestiziden ist überflüssig. Nachteilig beim Vertical Farming ist jedoch der hohe Energieverbrauch, um Wasserpumpen und Lampen zu betreiben. Vertical Farming in Innenräumen iststark stromabhängig und erforderthohe Investitionskosten.

Urban Farming in der Praxis

Weltweit gibt es bereits viele ambitionierte Urban-Farming-Projekte, das größte ist derzeit in Paris geplant: 14.000 m² auf dem Dach der Pariser Expo Porte de Versailles sollen künftig mit Obst und Gemüse bepflanzt werden. Aber auch erste deutsche Stadtwerke nähern sich dem Thema Urban Farming. In Zusammenarbeit mit der Maria-Ward-Realschule haben die Stadtwerke Augsburg ein Urban-Gardening-Projekt initiiert. Insgesamt fünf Hochbeete haben die Schülerinnen und Schüler aufgebaut und mit bienenfreundlichen Blumen, Obst- und Gemüsepflanzen bestückt.4

Die STAWAG finanzierte die Pilotanlage eines Aquaponiksystems des neugegründeten Vereins aachen.eden e. V. Dieser entwickelt in Zusammenarbeit mit der STAWAG innovative Konzepte, mit welchen zukünftig frisches Gemüse und Fisch aus der Aachener Innenstadt angeboten werden soll. Diese Symbiose aus Fischen und Pflanzen wird beim Aquaponik-Konzept genutzt. Die Fischausscheidungen werden in dem geschlossenen System verarbeitet und als Nährstoffe für die Pflanzen verwendet.5

Insgesamt wird deutlich, dass es zahlreiche Möglichkeiten gibt, nachhaltige Lebensräume in Städten zu gestalten, um Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit sowie Preissteigerungen entgegenzuwirken. Urban Farming stellt dabei einen Lösungsansatz dar, der zum großen Ganzen beitragen kann.

Quellen:

1https://www.gdv.de/de/medien/aktuell/ueberdurchschnittliche-hitze-in-deutschland-bereits-12-tage-mit-ueber-30-grad-in-diesem-jahr-70978

2https://de.statista.com/infografik/25613/entwicklung-der-mietpreise-fuer-wohnungen-in-deutschen-staedten/

3https://www.weltverbesserer.de/urban-farming-so-waechst-unsere-nahrung-der-zukunft-13803/

4https://www.sw-augsburg.de/magazin/detail/urban-gardening-bluetenmeer-am-stephinger-berg/

5https://www.stawag.de/ueber-uns/presse/aktuelles/pressemeldungen/urbane-landwirtschaft-fuer-ein-nachhaltiges-aachen/

Urbanisierung und Urban Farming (2024)

FAQs

What is the meaning of urban farming? ›

EPA [epa.gov] website (9/23/2022)] "Urban agriculture includes the cultivation, processing and distribution of agricultural products in urban and suburban areas. Community gardens, rooftop farms, hydroponic, aeroponic, and aquaponic facilities, and vertical production are all examples of urban agriculture.

What is the difference between urban agriculture and community gardening? ›

Home and community gardeners typically grow food for their own consumption, donation, or limited nonprofit sales. Community gardens typically engage a number of stakeholders. Urban farms operate on a larger scale than community gardens, grow produce for sale, and often require a business license to operate.

What impact does urban farming have on the community? ›

Urban agriculture produces healthy foods that contribute to food and nutrition security. It plays a role in the social and cultural fabric of communities, contributes to community economic development, and promotes environmental sustainability (Santo et al., 2016).

What is urban farming APHG? ›

Urban farming practices refer to the cultivation of crops and raising of livestock in urban areas, typically on a small scale. This includes rooftop gardens, community gardens, and indoor vertical farms.

What are examples of urban farming? ›

Community gardens, rooftop farms, hydroponic, aeroponic and aquaponic facilities, and vertical production, are all examples of urban agriculture. Tribal communities and small towns may also be included.

How does urban farming work? ›

Urban farming is the practice of growing fresh produce within the city for individual, communal, or commercial purposes. Urban farming often makes use of vacant lots, rooftops, and abandoned or repurposed indoor spaces to grow crops, such as fruits and vegetables.

What are the three types of urban farming? ›

The different methods of urban farming include community-supported agriculture, city farmers' markets, indoor farming, vertical farming, and a host of other alternative means to produce or deliver food in an urban environment.

How is urban farming different? ›

Commercial urban farms are much more likely to be found indoors and are likely to use vertical farming techniques to help maximize their use of space. With profitability top-of-mind, these spaces may seek to produce niche, comparatively expensive crops sought after by established businesses like local restaurants.

What are 3 benefits of urban farming? ›

Benefits from urban agriculture

The communities that have and support urban agriculture can benefit in many ways economically, environmentally and socially. By growing fruits and vegetables in urban areas, it places the food closer to the consumer and helps reduce the transport costs and carbon footprint.

Why is urban farming bad for the environment? ›

“Most of the climate impacts at urban farms are driven by the materials used to construct them—the infrastructure,” Goldstein said. “These farms typically only operate for a few years or a decade, so the greenhouse gases used to produce those materials are not used effectively.

Is urban farming bad for the environment? ›

City-grown fruits and vegetables are more carbon-intensive than conventionally grown crops, but there are ways to address their emissions. Rooftop farming in Brooklyn, New York.

Why did farmers move to urban areas? ›

With such capitals, these farmers and their families were willing to settle in urban areas that could provide more job opportunities and better living conditions (Figure 3).

What is urban subsistence farming? ›

Farming rarely takes place in urban settings. However, urban subsidence farming involves using the limited space available in cities to grow food for one's own needs. (The word "urban" means city.) Such farming may occur in community gardens, greenhouses, rooves, hydronic facilities, etc.

What is the meaning of the word urban? ›

Urban means belonging to, or relating to, a town or city. Most of the population is an urban population. Most urban areas are close to a park.

Where is urban farming being used? ›

New York City, USA

NYC has been a longtime advocate for urban farming. Given the steep cost of land and lack of space, one would think the city to have few farms. In fact, NYC has over 550 community gardens on city property, over 745 school gardens, and over 700 gardens at public housing developments.

What is the simple definition of vertical farming? ›

What is vertical farming? The simplest definition of vertical farming is growing plants in a vertical configuration, whether on a wall, in horizontal stacks or in vertical cylinders. Most vertical farms use hydroponics, but a few use soil.

References

Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Rev. Leonie Wyman

Last Updated:

Views: 6180

Rating: 4.9 / 5 (59 voted)

Reviews: 82% of readers found this page helpful

Author information

Name: Rev. Leonie Wyman

Birthday: 1993-07-01

Address: Suite 763 6272 Lang Bypass, New Xochitlport, VT 72704-3308

Phone: +22014484519944

Job: Banking Officer

Hobby: Sailing, Gaming, Basketball, Calligraphy, Mycology, Astronomy, Juggling

Introduction: My name is Rev. Leonie Wyman, I am a colorful, tasty, splendid, fair, witty, gorgeous, splendid person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.